Das "schwache Geschlecht" im Sport?

  • Frauen - das "schwache Geschlecht" im Sport? © Hagenpress, VCM / Leo Hagen

(Dr. Robert Fritz) Sicher, Frauen haben weniger Muskelmasse, ein kleineres Herz und ein kleineres Lungenvolumen als Männer, aber daraus eine geringere Fähigkeit zur Sportausübung abzuleiten wäre Unsinn.

Eine Analyse.

Im Jahre 1928, im Rahmen der Olympischen Spiele in Amsterdam, beim 800-m-Lauf der Damen gehen die zweit- und die drittplatzierte Läuferin nach dem
Zieleinlauf erschöpft zu Boden. Die anwe-
senden Funktionäre und Journalisten sind entsetzt und sofort der Meinung, dass diese Strecke Frauen im Allgemeinen überfordert und ein Frauenkörper für solche Anstrengungen nicht geschaffen ist. Als Konsequenz kommt es zur Streichung der 800-m-Bewerbe für Frauen für beinahe 30 Jahre.
Sind Frauen schwächer als Männer? Sind
sie fürs Langstrecken-Laufen vielleicht überhaupt nicht geschaffen? Sollen Frauen überhaupt laufen?

Wenn etwas fehlt.

Sabine Z. kommt in meine Ordination. Sie klagt über Müdigkeit, Schlafstörungen und kommt im Training nicht weiter. Sie ist eine von zahlreichen Frauen, die sich jedes Jahr im Rahmen des „Fit in 12 Wochen“-Programms des Österreichischen Frauenlaufs auf das Laufevent für Frauen Ende Mai vorbereiten. Als Leiter des Medical Centers des Österreichischen Frauenlaufs betreue ich täglich viele Patientinnen/Sportlerinnen wie Sabine. Sie erzählt mir, dass sie in ihrer Trainingsgruppe bemerkt, dass die anderen Frauen sich mit dem Trainingsplan im Laufe der Wochen weiterentwickelt haben, sie jedoch leider nicht. Sabine ist Mitte 30, alleinstehend, hat zwei Kinder und einen Fulltime-Job. Im Bekannten- und Familienkreis erklären ihr alle, dass ihre Müdigkeit natürlich dadurch bedingt ist, dass sie viel zu tun und viel Verantwortung hat. Wer so viel um die Ohren hat, kann nur müde sein, und dann muss sie ja auch noch Sport betreiben – das können sowieso nur wenige verstehen.
Sabine braucht das Laufen aber für ihr psychisches Gleichgewicht. Sie fühlt sich danach immer sehr entspannt, hat mehr Energie als vor dem Laufen und es hilft ihr, ihr Gewicht stabil zu halten.

Eine Freundin...

... hat ihr von ihrem Eisenmangel erzählt, den ihr Hausarzt festgestellt hat, und nach wenigen Wochen, in denen sie Eisentabletten genommen hat, gehe es ihr deutlich besser. Sabine macht sich also auf den Weg in die Apotheke, um sich Eisentabletten zu besorgen. Die Apothekerin reagiert völlig richtig und empfiehlt Sabine, vor der Einnahme von Eisen unbedingt eine Laboruntersuchung durchführen zu lassen. Auch wenn viele Frauen an einem Eisenmangel leiden, gibt es auch genug Frauen, denen Eisen in einer zu hohen Dosierung schaden würde. Eisen, Vitamin D und viele andere Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente können in einer unkontrollierten Zufuhr zu Nebenwirkungen führen und sogar gesundheitsschädlich sein. Sabine macht sich also auf zu ihrem Arzt. Er ist selbst nicht sportlich, möchte Sabine aber helfen und bestimmt den Eisenspiegel im Blutserum. Das Ergebnis ist unauffällig, kein Hinweis auf einen Eisenmangel. Ist das also doch nicht das Problem?
Sabine ist verzweifelt und glaubt schon fast den Stimmen im Umfeld, dass sie vielleicht gar nicht trainierbar und fürs Laufen nicht geeignet sein.

Komplexe Medizin.

Sabine sitzt mir gegenüber und ist sichtlich unglücklich. Geschichten wie jene von Sabine sind sehr häufig. Ich schaue mir die mitgebrachten Laborbefunde von Sabine an und muss feststellen, dass der falsche Eisenparameter bestimmt worden ist – auch das kommt häufig vor. Wir Ärzte können uns nicht überall auskennen. Die moderne Medizin ist mittlerweile so komplex, dass nicht jeder Arzt über jeden Fachbereich Bescheid wissen kann. Für Fragestellungen wie jene von Sabine gibt es Sportärztinnen und Sportärzte. Wir machen eine neuerliche Laboruntersuchung, bestimmen Ferritin, den „Eisenspeicherwert“, dazu auch B-Vitamine, Vitamin D und machen eine Vollblutanalyse ihrer Mineralstoffe und Spurenelemente. Auch wenn ein Eisenmangel sehr häufig der Grund für eine Leistungsstagnation bzw. einen Leistungseinbruch darstellt, gibt es noch zahlreiche andere Parameter, die dafür verantwortlich sein können.

Die Ergebnisse sind eindeutig.

Sabine hat einen Eisenmangel, einen Vitamin D-Mangel, zu wenig B-Vitamine und einen deutlichen Magnesium-Mangel. Sie ernährt sich seit vielen Jahren vegetarisch, ihre Menstruationsblutung ist relativ stark. Nach einem langen Gespräch und dem Ausschluss möglicher anderer Ursachen für ihre Mangelerscheinungen leiten wir eine Therapie ein. Ihr Vitamin-D-Mangel ist nach wenigen Wochen ausgeglichen und sie fühlt sich dadurch psychisch deutlich stärker. Durch das Magnesium fühlt sich ihre Muskulatur weicher und entspannter an, sie gibt auch an, dass ihr der Stress jetzt irgendwie weniger zusetzt. Nachdem Sabine die Eisentabletten nicht gut verträgt, erhält sie eine Eiseninfusion und fühlt sich danach wie neu geboren. Ihre sportliche Leistungsfähigkeit nimmt stetig zu, sie hat deutlich mehr Energie beim Training, aber auch im Alltag – es geht ihr rundherum besser.

Eisenmangel

Eisenmangel gibt es natürlich auch bei Männern, nicht nur bei Frauen. Es macht also absolut Sinn, bei einem sportlich aktiven Mann nach diversen Mangelerkrankungen zu suchen. Ich halte nichts von einer unkontrollierten Zufuhr von Nahrungsergänzungsmitteln. Wir haben die technischen Möglichkeiten, Mangelerkrankungen verlässlich im Blutlabor zu bestimmen und bei einem nachgewiesenen Mangel diese auch mit Hilfe einer Ernährungsumstellung oder mit Hilfe von Nahrungsergänzungsmitteln bzw. Infusionen zu therapieren. Warum nutzen wir also diese Möglichkeiten nicht, wenn die Symptome und Beschwerden der Patienten danach verlangen?

Sport im Zyklus der Frau

Bettina M. kommt mit ihrer 16 Jahre alten Tochter Daniela zu mir in die Ordination. Daniela macht gerne Sport, sie läuft dreimal pro Woche, dazu spielt sie Volleyball in einem Verein und geht mit einer Freundin ins Fitnessstudio. Daniela und ihre Mutter sind sich unsicher, ob Daniela während ihrer Menstruationsblutung Sport betreiben soll oder nicht. Sollen Mädchen und Frauen während der Menses Sport betreiben oder nicht? Ist Sport dann schädlich?

Lange wurden Mädchen...

... während der Monatsblutung automatisch vom Schulsport ausgeschlossen, ob sie das nun wollten oder nicht. In den letzen Jahrzehnten hat sich dieser Zugang glücklicherweise völlig verändert. Sportmedizinisch gesehen, gibt es keinerlei Einwände gegen eine Sportausübung während der Menstruationsblutung. Wenn sich eine Frau dabei subjektiv wohlfühlt, hilft die regelmäßige Bewegung gegen Verspannungen und wirkt schmerzlindernd.

Durch Östrogene (weibliche Sexualhormone) wird die Typ-I-Prokollagen-Synthese und die Proliferation von Fibroblasten reduziert, die wichtig für die Stabilität von Sehnen und Bandstrukturen sind – daher gilt während der Menstruation eine erhöhte Verletzungsgefahr, besonders für das vordere Kreuzband. Durch diesen physiologischen Umstand sind Kontaktsportarten und Sportarten mit erhöhtem Verletzungsrisiko für das Kreuzband nicht unbedingt zu empfehlen, wenn die Östrogenspiegel erhöht sind. Daher sollte Daniela besonders in der ersten Hälfte ihres Zyklus beim Volleyball ein wenig vorsichtiger sein, um sich nicht zu verletzen. Gegen ein lockeres Ausdauertraining spricht jedoch mit Sicherheit nichts.

Sollten Frauen anders Trainieren als Männer?

Frauen können ihren unterschiedlichen Hormonstatus sogar für eine bessere Trainingsentwicklung nutzen: Während der ersten Hälfte des Zyklus sollte eher die Kraftkomponente trainiert werden, in der zweiten Hälfte die Ausdauerkomponente. Östrogen ist das Testosteron der Frau. Der erhöhte Östradiol-Spiegel in der ersten Zyklushälfte verbessert sowohl die Maximalkraft als auch den Muskelquerschnitt rascher als in der zweiten Zyklushälfte. Die erhöhte Muskelmasse schützt den Bewegungsapparat vor Überlastungen und steigert den Energiegrundumsatz. Dies führt zu dem angenehmen Nebeneffekt, dass ungeliebte Fettpölsterchen leichter verschwinden.

Wussten Sie, dass Frauen erst seit 1984 in Los Angeles die Marathondistanz im Rahmen von Olympischen Spielen laufen dürfen?

In den letzten Jahren...

... hat sich das Bild der Frau zum Thema Krafttraining deutlich verändert. War es noch vor wenigen Jahren die absolute Ausnahme, eine Frau in einem Fitnessstudio außerhalb einer Yoga- oder Aerobic-Einheit anzutreffen, haben Frauen jetzt den Freihantelbereich für sich erobert und den Nutzen und den Spaß an einem regelmäßigen Krafttraining entdeckt. Keine Frau wird durch Krafttraining so massiv an Muskelmasse zulegen, dass sie in kürzester Zeit vermännlicht aussieht – dazu fehlen Frauen die entsprechenden männlichen Sexualhormone.

Die zweite Hälfte des Menstruationszyklus ist deutlich besser für eine Forcierung des Ausdauertrainings geeignet. Im Ausdauertraining ist zu beachten, dass Frauen meist eine höhere Herzfrequenz haben als Männer.

Generell gilt, dass eine höhere Herzfrequenz im Vergleich zur Trainingspartnerin nicht automatisch bedeutet, dass die Sportlerin mit der höheren Frequenz auch eine schlechtere Leistungsfähigkeit hat. Diese Aussage gilt sowohl für Frauen als auch für Männer.

Frauen haben meist...

... anatomisch kleinere Herzen, ein kleineres Lungenvolumen und daher auch höhere Herzfrequenzen im Training und Wettkampf.

Ich arbeite seit über einem Jahrzehnt in der Sportmedizin und habe mehr als 12.000 Leistungsdiagnostiken durchgeführt. Ich empfehle jedem, der regelmäßig Sport macht, egal ob männlich oder weiblich, im Rahmen einer sportmedizinischen Leistungsdiagnostik die individuell so unterschiedlichen Trainingsherzfrequenzbereiche bestimmen zu lassen. Ein Training in den richtigen Intensitätsbereichen ist effektiver, macht mehr Spaß und verhindert Überlastungen und Verletzungen. Ein gesteuertes Training zeigt wesentlich rascher eine positive Wirkung auf die Leistungsfähigkeit und die Gesundheit. Mögliche Unsicherheiten, den Körper ständig zu über- oder unterfordern, können reduziert werden.

Frauen sind vom Energiestoffwechsel für längere Distanzen prädestiniert und haben definitiv auch für einen Marathon die besten Voraussetzungen.

Das Hormon Östradiol

Durch das Hormon Östradiol haben Frauen eigentlich einen besseren Fettstoffwechsel und sind daher auf längeren Distanzen in Relation besser als Männer. Aus diesem Grund sind Frauen vom Energiestoffwechsel für längere Distanzen prädestiniert und haben definitiv auch für einen Marathon die besten Voraussetzungen.

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